Seit der Restaurierung der Räume in der Aula am Wilhelmsplatz vor zehn Jahren, wird er immer mehr zum Touristenmagneten: Der Studentenkarzer der Georg-August-Universität in Göttingen.
Ein Gefängnis für Studenten
Heute ist es unvorstellbar und lediglich noch bekannt aus Spielfilmen des vergangenen Jahrhunderts, doch war es über 200 Jahre Praxis an deutschen Universitäten: Eine Art eigenes Gefängnis an der Uni.
Die Gerichtsbarkeit in Deutschland war in den vergangenen Jahrhunderten nicht einheitlich. So gab es besondere Gerichte für Adelige, Soldaten, Kirchenangehörige und eben auch für Studenten sowie Universitätsangehörige. Die Gerichtsbarkeit, welche die Universitäten innehatten, ahnte teilweise sogar die Kavaliersdelikte und konnten Strafen von bis zu 14 Tagen Karzer am Stück verhängen.
Für viele Studenten gehörte zu schnelles Reiten durch die Stadt, Trunkenheit, hier und da über die Stränge schlagen oder Nacktbaden, trotz des stets drohenden Karzers, zum guten Ton.
Während heutzutage Selbstdarstellung eher über die sozialen Medien praktiziert wird, wurden die Zimmerwände des Karzers genutzt.
Als „Haus der akademischen Freiheit“ betitelten die Insassen den Karzer, wie auf der Wand zu lesen ist. Überhaupt wurden die Zimmerwände zur Verewigung genutzt.
Es wurde gemalt, gezeichnet und gereimt, um die Anwesenheit zu dokumentieren und aus der Langweile heraus zu verschönern. Fast erscheint es beim Anblick der bunt beschrifteten Zimmerwände, als erfülle die Studenten ihr Aufenthalt darin mit ein wenig Stolz.
Weltbekannte Insassen
Zu den wohl bekanntesten Insassen zählt einer der bekanntesten Politiker der deutschen Geschichte: Otto von Bismarck.
1832 zog es den einstigen Student der Rechte in die Stadt Göttingen, wo er seinem Studium nachgang. Ganze neun Mal wurde er während seiner Studienzeit vor den Universitätsrichter gerufen, der ihn wegen unterschiedlicher Vergehen mehrmals zu Karzer-Aufenthalten verurteilte.
Zum ersten Mal wurde der Student Otto von Bismarck vor den Richter gerufen, weil er leere Flaschen aus einem Fenster geworfen habe. Das Rauchen auf offener Straße sowie die Beteiligung an unlauteren Duellen sorgten für weitere Verhandlungen.
Während seiner Zeit im Karzer ritzte der spätere Reichskanzler seinen Namen in die Türe, welche noch immer erhalten ist und sich inzwischen im Besitz der Stadt Göttingen befindet.
Insgesamt 18 Tage verbrachte der spätere Reichskanzler im Göttinger Studenten Karzer. Die Räumlichkeiten in welchen Bismarck seine Strafe verbüßte, befanden sich im Konzilienhaus. Dieses wurde inzwischen allerdings abgerissen. Mit dem Neubau der Aula Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, entstanden an der Rückseite des Westflügels zwölf Karzerräume.
Eintrittspreise & Öffnungszeiten
Auf den Spuren Otto von Bismarcks und anderer Göttinger Studenten wandelt ihr täglich zwischen 10 und 18 Uhr. Erwachsene erhalten Zutritt für 3 Euro, Kinder zahlen 2,50 Euro. Mit dem Kombiticket erhaltet ihr Zutritt zum Studentenkarzer und dem Universitätsmuseum.
Adresse: Wo kann man den Karzer besichtigen?
Der Karzer ist Teil der des Universitätsmuseum in Göttingen, und kann an folgender Adresse besichtigt werde: Historischer Karzer Georg-August-Universität Göttingen, Wilhelmsplatz 1, 37073 Göttingen.