Die wohl geheimnisvollste Sehenswürdigkeit Bremens finden Besucher in einem Nebengebäude des mächtigen St. Petri Doms. Durch einen Zufall wurden im Jahr 1698 in der Ostkrypta des Doms gleich mehrere sehr gut erhaltene Mumien entdeckt. Eine echte Sensation in einer Zeit, die durch ein reges Interesse am Verstehen naturwissenschaftlicher Zusammenhänge geprägt war. 16 Stufen führen hinab in den ehemaligen Bleikeller, wo die Mumien von insgesamt acht Menschen in offenen Särgen unter Glas besichtigt werden können.
Ein wahrlich gespenstischer Anblick, denn die Augenhöhlen sind leer und die Gesichter teils verzerrt von stummen Schreien und Schmerzen. Zudem fehlen ihnen Finger, Hautstücke und Haare. Sie dienten manch einem Besucher als Souvenir, bevor die Mumien ab dem Jahr 1968 unter Glas Schutz fanden.
Ein echtes Phänomen
Lange wurde davon ausgegangen, dass das einst in den Kellerräumen gelagerte Blei für den guten Erhaltungszustand der Mumien verantwortlich sein könnte. Das Blei diente damals dem Zweck, Sturmschäden am Domdach zu reparieren. Heute weiß man, dass die Körper auf ganz natürliche Weise ausgetrocknet sind. Die trockene Umgebungsluft, Kälte, eine gute Durchlüftung und die Abwesenheit von Insekten haben hier gemeinsam zur Mumifizierung beigetragen.
Allerlei Geheimnisvolles & Kurioses
Von einer der Mumien wurde angenommen, es handele sich bei ihr um einen vom Dach gestürzten Dachdecker. Nach seinem Sturz sei er in der Ostkrypta aufbewahrt und dort einfach vergessen worden. Moderne Technik widerlegt inzwischen diese Theorie, denn der vermeintliche Dachdecker wies nicht einen einzigen Knochenbruch auf, dafür aber eine Kugel im Rücken. Auch um eine weibliche Mumie mit auffallend krummen Füßen rankten sich geheimnisvolle Legenden. War sie vielleicht die adelige Lady Stanhope, die das Tragen hoher Stöckelschuhen mit kaputten Füßen bezahlen musste? Wohl eher nicht. Eine später diagnostizierte Syphilis ließ eher auf die Theorie schließen, dass sie eine Prostituierte war, deren Füße auf einen fortgeschrittenen Krankheitsverlauf hinweisen.
Zudem war dem Adelsgeschlecht Stanhope zum fraglichen Zeitpunkt kein Familienmitglied abhandengekommen. Bei den anderen Mumien handelt es sich um einen schwedischen Kanzler samt Gattin, zwei Offiziere und einen Studenten. Auch ein Tagelöhner fand hier seine letzte Ruhestätte. Dafür, dass er sich zu Lebzeiten verpflichtete, sich im Bleikeller bestatten zu lassen, erhielt er bis zu seinem Lebensende freie Kost und Logis.
Der Finger einer Bleikellermumie befindet sich bis heute im Naturwissenschaftlichen Kabinett des Goethe-Nationalmuseums in Weimar. Er wurde Johann Wolfgang von Goethe von einem Bewunderer zugeschickt, der nicht vor einer Grabschändung zurückschreckte, um sein großes Vorbild nach Bremen zu locken.
Preise und Öffnungszeiten
Der Bleikeller ist ganzjährig für Besucher geöffnet. Für ein Kombiticket mit Turmbesteigung zahlen Erwachsene 3,00 Euro, Kinder 1,40 Euro. Von Montag bis Freitag öffnet der Bleikeller jeweils von 10.00 bis 17.00 Uhr. Samstags ist ein Besuch von 10.00 bis 14.00 Uhr möglich, sonntags von 14.00 bis 17.00 Uhr. Auch wenn Kinder willkommen sind, sollten sie doch auf einen Besuch gut vorbereitet werden. Zudem legt die Domkanzlei besonderen Wert darauf, die Totenruhe zu wahren und sich den Mumien gegenüber pietätvoll zu verhalten.
Adresse
Am Dom 1, 28195 Bremen