StartBaden-WürttembergTübingenDas Steinkind von Leinzell in Tübingen

Das Steinkind von Leinzell in Tübingen

Eines der weltweit ganz wenigen Exemplare eines mumifiziert geborenen Kindes

Die Universität Tübingen hat es sich zur Aufgabe gemacht, bemerkenswerte Ausstellungsstücke aus der Universitätssammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Einen der mysteriösesten Gegenstände findet man wohl in der Anatomischen Sammlung.

Das Steinkind von Leinzell ist eines der bestentwickelten und fast vollständig erhaltenen Mumifizierungen seiner Art. Welche unglaubliche Geschichte dahinter steckt, wie ein Steinkind entsteht und wo ihr den Fund bewundern könnt, erfahrt ihr hier.

Welche Geschichte dahinter steckt

Die Geschichte spielt sich um das Jahr 1720 in Leinzell in Baden-Württemberg ab. Eine 91 jährige Frau verstirbt. Ihr halbes Leben lang klagte sie immer wieder über mysteriöse Beschwerden, Schmerzen und Unwohlsein, das sich nicht heilen ließ. Diverse Wunderheiler und Ärzte versuchten ihr Glück und konnten zumindest die Schmerzen lindern. Trotz allem erreichte die Frau ein – für die damalige Zeit – bemerkenswertes Alter.

Die ungeklärten Ursachen ihrer Leiden veranlassten Familienangehörige, nach Anna Müllers Ableben eine Obduktion durchführen zu lassen.

Der Pathologe machte einen erstaunlichen Fund: Im Bauchraum der Frau befand sich ein etwa acht Pfund schwerer Kalkstein. Sorgsam wurde dieser geöffnet und es kam ein fast vollständig entwickelter männlicher Fötus zum Vorschein, der augenscheinlich im Mutterleib mumifiziert worden war.

Die Forscher hatten hier einen der sehr seltenen Fälle von Steinkindern vor Augen. Zu näheren Untersuchungen wurde das gefundene Präparat dann in die Uni Tübingen geschickt. Hier wurde sofort mit der Veröffentlichung einer Doktorarbeit zu eben diesem Steinkind aus Leinzell begonnen.

Was die Wissenschaftler bis heute stark verwundert ist, dass Anna Müller trotz diesem mumifizierten Fötus in ihrem Bauch angeblich noch zwei Kinder zur Welt brachte – und das im hohen Alter von 50 Jahren.

Es handelt sich hier also um einen Fund, der in allen Belangen höchst außergewöhnlich und bemerkenswert ist.

Wie entsteht ein Steinkind?

Dass ein Steinkind entsteht, ist sehr selten. Weltweit sind nur ein paar hundert Fälle dieses Phänomens überhaupt bekannt. Steinkinder resultieren aus unentdeckten Eileiterschwangerschaften. Diese allein sind schon äußerst selten und gehen meist mit spürbaren Komplikationen einher.

Mangels guter medizinischer Versorgung früher wurde eine solche Schwangerschaft aber selten erkannt. Verbleibt der Fötus dann im Mutterleib, weil er nicht vom Körper resorbiert wurde, beginnt er mithilfe von Kalkablagerungen zu mumifizieren. Man spricht von einem sogenannten Lithopaedion, also Steinkind.

Heutzutage kann ein solches Phänomen nahezu ausgeschlossen werden. Die gute medizinische Betreuung verhindert, dass Eileiterschwangerschaften über einen so langen Zeitraum im Körper der Mutter verbleiben.

Wo kann man das Steinkind heute besichtigen?

In der Anatomischen Sammlung der Universität Tübingen wird das Steinkind mittlerweile der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Nach Vereinbarung kann man die Sammlung besichtigen und das Original bestaunen. Allerdings ist ein Viertel des Präparats zwischenzeitlich verloren gegangen.

Dennoch ist es mit Sicherheit lohnenswert, einen Blick auf dieses außergewöhnliche Fundstück zu werfen.

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