In Burgen aller Art und jeglichen Alters fühlte sich das „Böse“ schon immer wohl
Betrachtet man die Schätzungen zufolge etwa historischen 25.000 Burgen in Deutschland und deren jeweilige Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, wird sich wohl nur bei den wenigsten dieser zumeist recht martialisch wirkenden Festungs- und Verteidigungsbauten ein ausgesprochen sowie dezidiert friedlicher Ursprung vermuten und festmachen lassen. Burgen sind vielmehr von vorne herein konzeptionell eng bis untrennbar mit Kampf, Krieg und allem Militärischem verbunden und verknüpft. Die riesige Anzahl an Opfern, die an, in und vor Burgen im Lauf der Geschichte schwer verletzt und gefoltert wurden sowie ihren Tod gefunden haben, dürfte diejenige an Burgen also um ein Vielfaches übertreffen.
Somit sind Fragen nach mehr oder weniger „bösen“ Burgen auch letztlich rhetorisch und obsolet, denn es lag in der Natur dieser Bauwerke, von Angreifern und Verteidigern immer wieder ein großes Blutzoll zu fordern. Nichtsdestotrotz gibt es aber eine ganze Reihe von Burgen, deren jeweils spezielle Geschichte exemplarisch für besonders bösartige, grausame und menschenverachtende Ansichten, Ereignisse und Ideologien standen.
In fast allen bekannten Burgen des Mittelalters hat sich Grauenvolles abgespielt
Während diesbezüglich berühmte Burgen im europäischen Ausland wie zum Beispiel Burg Bran in Siebenbürgen (Rumänien) als angebliches „Draculaschloss“ und die nur als Ruine erhalten gebliebene einstige Heimat der „Blutgräfin“ und Serienmörderin Elisabeth Báthory (1560-1614) Burg Čachtice in der Westslowakei ihre ausgesprochen schlechte Reputation nur aus Mythen oder nie gänzlich bewiesenen Anschuldigungen beziehen, stehen andere Burgen Europas durchaus zu Recht im Ruf, wahre Orte des Schreckens gewesen zu sein. Exemplarisch seien hier etwa Schloss Moosham bei Unternberg in Salzburg in Österreich als Schauplatz zahlreicher mittelalterlicher Hexenprozesse und „Leap Castle“ im Zentrum Irlands mit besonders heimtückischen und perfiden Folterkammern genannt.
Vergleichbare Dramen und Morde sowie Intrigen und Verbrechen dürften sich Überlieferungen zufolge in den meisten europäischen Burgen und Schlössern speziell sowie hauptsächlich in deren größter Blütephase im Mittelalter abgespielt haben. Dass manche Burgen jedoch sogar noch im allgemein als zivilisiert geltenden 20. Jahrhundert gefürchtete Schauplätze schier unglaublicher Horrorszenarien waren, scheint dahingegen eher die Ausnahme und weitaus weniger bekannt zu sein.
Über Jahrhunderte war die Wewelsburg eher unscheinbar und nur wenig bekannt
Als bekanntes Musterbeispiel einer solchen „bösen Burg“ der jüngeren Vergangenheit im deutschsprachigen Raum gilt vor allem das in seiner heutigen Form zwischen 1603 und 1609 errichtete Renaissanceschloss der Wewelsburg im gleichnamigen Stadtteil von Büren (Westfalen) im Südwesten des Kreises Paderborn im Nordosten des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Zur Zeit ihrer Entstehung war die bereits aus der Ferne gut sichtbare Höhenburg über dem Tal des Flusses Alme nur eine unter vielen ihrer Art in der Region.
Allenfalls der für deutsche Burgen dieser Epoche ungewöhnliche Grundriss in Form eines Dreiecks fällt etwas aus dem Rahmen. Auch die Vorgängerbauten „Wifilisburg“ aus dem 9. und 10. Jahrhundert sowie das „Bürensche“ und „Waldecksche Haus“ aus dem 12. bis 14. Jahrhundert waren lediglich typische festungsähnliche Gebäude ihrer Zeit ohne allzu sehr herausstechende schlimmere Ereignisse. Im Lauf der folgenden Jahrhunderte sollte sich an diesem wenig auffälligen Status nur wenig ändern. Nennenswerte Schäden an der Bausubstanz verursachten lediglich die Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg 1646 und ein Brandschaden im Nordturm durch Blitzschlag im Januar 1815.
Der Rassenwahn des Naziregimes machte die Burg zum Konzentrationslager
Die eigentliche Geschichte der Wewelsburg als sprichwörtlicher „Hort des Bösen“ begann dann auch erst mit nationalsozialistischen Machtergreifung von 1933, ab welcher die Burg vom sog. „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler nach Empfehlung durch Nationalsozialisten aus der Gegend als Schulungsstätte und Versammlungsort für hochrangige SS-Offiziere auserkoren wurde. Nachdem die „NSDAP“ die Burg im Juni 1934 zum symbolischen Preis von einer Reichsmark/Jahr angemietet hatte, begannen sofort umfangreiche Bauarbeiten, mit denen der Bau eine nahezu vollständig neue Inneneinrichtung mit teils überbordender SS-Ornamentik erhielt.
Von 1936 bis 1939 wurden schließlich zwei Verwaltungsgebäude und Wohnhäuser für die SS sowie ein Konzentrationslager, das „Außenlager Wewelsburg“, errichtet. Dieses trug ab 1941 den Namen KZ Niederhagen und beherbergte bis zu 3.900 Insassen, die Plänen der Nazis zufolge nach Kriegsende den weiteren Ausbau der Burg als Zwangsarbeiter zur NS-Kultstätte zu leisten hätten. Beglaubigten Aussagen der beiden KZ-Kommandanten Adolf Haas und Hermann Baranowski, nach denen sich diese als „Herrgott von Wewelsburg“ bzw. „lachender Teufel“ bezeichneten, lassen die schrecklichen Zustände im Lager bereits schauernd erahnen.
Glücklicherweise ist die Wewelsburg trotz der großen Schäden erhalten geblieben
Von den Häftlingen starben bis zur Auflösung des Lagers im April 1943 fast 1.300 an Hunger und Kälte sowie Krankheiten und den Folgen der schweren Misshandlungen. Im März 1945 erfolgte die Sprengung der gesamten Anlage und der Verwaltungsgebäude, bei der die Wewelsburg vollständig ausbrannte. Anfang April 1945 wurde die zerstörte Burg schließlich von der US-Armee eingenommen.
Gemäß den Erkenntnissen der Forschung wurde die Wewelsburg wohl vor allem deshalb von Himmler und seinem Umfeld mythisch überhöht, weil dort schon der sächsische König Heinrich I. Mitte des 10. Jahrhunderts erfolgreich gegen die „Hunnen“ gekämpft haben soll. Der dreieckige Grundriss der Burg wurde sogar fantasievoll als Speerspitze der Lanze des germanischen Kriegsgottes Wotan interpretiert. Heute ist die von 1948 bis 1949 sowie 1973 bis 1975 komplett neu errichtete Wewelsburg Sitz einer Jugendherberge mit über 200 Betten, des Museums des Hochstifts Paderborn sowie einer Erinnerungs- und Gedenkstätte samt einer großen Ausstellung zur Geschichte der „Schutzstaffel“ (SS).